"Nicht zu erinnern" habe ich früh geschrieben und direkt an eine Online Zeitschrift namens Bierglaslyrik geschickt, die für jede Ausgabe ein neues Thema vorgibt. Das Thema dieser Ausgabe war 20. Dieser Link bringt euch direkt zur veröffentlichen PDF. Leider veröffentlicht die Zeitschrift keine weiteren Geschichten und Gedichte mehr.
Es war wieder einmal dieser eine Tag im Jahr. Der verrückte Lukas feierte einen Trink-Film-Abend, wo es einzig und allein darum ging, sich so weit abzufüllen, dass man sich an ja nichts mehr
erinnern konnte. Meine Wenigkeit war ebenfalls mit dabei, obwohl man mich noch nie so betrunken gekriegt hat, dass ich völlig breit war. Es kamen nicht viele. Nur vier Jungs, Sebastian, Jan, Jan
und Lukas, und noch ein weiteres Mädchen, Rina, die alle professionelle Trinker waren. Bevor der ausgewählte Film, Herr der Ringe, in den kleinen Fernseher reingeworfen wurde, schrieb einer von
uns die Regeln auf. Man muss jedes Mal einen trinken
wenn…
...der Ring auf Vollbild ist
...ein Panoramabild gezeigt wird
...Frodo lächelt
...Gandalf sehr ernst wird
...“mein Schatz“ gesagt wird
...Frodo und sein bester Kumpel „intim“ miteinander werden.
Die Pinnchen wurden auf den Tisch gestellt und mit 40% Wodka gefüllt. Die wenigsten von uns hatten vorher was gegessen, und der Kuchen blieb unangetastet, also wussten alle genau, dass sie sich
alle abschiessen würden. Die DVD wurde eingelegt, und es wurde gespannt auf den ersten Moment gewartet, um sich einen zu kippen. Es dauerte nicht lange, denn schon nach der ersten Minute wurde
der Ring auf Vollbildschirm gezeigt. Schnell waren der erste Schluck runter und die Pinnchen aufgefüllt. Wir verzerrten unsere Gesichter, als wir den brennenden Nachgeschmack des Getränks auf der
Zunge wahrnahmen. Das Auffüllen musste schnell gehen, denn keine 30 Sekunden später wurde der Ring ein weiteres Mal in Grossaufnahme gezeigt. Schon nach fünf Minuten waren sieben Pinnchen gefüllt
und geleert. Wie sollte es heute Abend auch nur einer von uns überleben? Ganz einfach: Gar nicht!
Die Einführung des Filmes dauerte knappe zehn Minuten. Diese zehn Minuten waren für uns sechs nur konstantes Runterkippen. Bei Rina machte sich der Alkohol schon ziemlich bemerkbar. Sie hockte auf dem Sofa neben Jan und Jan und kuschelte sich immer mehr zu dem an ihrer linken Seite. Schon nach neun Pinnchen war sie komplett anhänglich und kuschelig. Bei den Jungs wurde der Alkohol ebenfalls deutlich. Sebastian fing jedes Mal an zu brüllen, wenn Frodo auf dem Fernsehbildschirm erschien. Jan, der zu Rinas Rechten sass, kicherte und gackerte unaufhaltsam, und keiner wusste, wieso. Selbst er selber wusste es nicht. Der Film ging weiter, und somit auch das Trinken. Glücklicherweise waren die darauf folgenden zehn Minuten nicht so schlimm, wie der Anfang. Wir kamen hoch auf fünfzehn Pinnchen nach zwanzig Minuten Film, und keiner konnte mehr ansatzweise klar denken. Rina lag an den Jan zu ihrer Linken angelehnt und war eingeschlafen. Lukas murmelte den Text vom Film nach, weil er diesen auswendig kannte, und trank am meisten von uns allen. Neben den Shots trank er noch fleissig Bier. Für den Moment schien es ihm noch gut zu gehen. Was noch im Film passierte, war schon lange unwichtig geworden. Jedes Mal, wenn einer „PANORAMA“, „SCHATZ“ oder „RING“ rief, wurde eins getrunken. Wir kamen zum neunzehnten Pinnchen. Sebastian war schon nach Minute 25 kotzen gegangen, und hatte sich mit einer Flasche Wasser auf dem Rasen im Garten hingelegt. Lukas lief langsam grün an, und Jan gackerte noch immer unkontrolliert weiter. Es schien ihn anscheinend wenig zu stören, dass man weder seine Worte noch seine eigenartigen Gesten verstand. Lukas, der noch immer den Text weiter mitredete, schrie plötzlich: „SCHATZ!!!“ und trank sein zwanzigstes Pinchen. Reflexartig tat ich es ihm nach und bereute es augenblicklich. Das Brennen in meiner Kehle verstärkte sich, und ich wusste, dass ich mein Limit erreicht hatte. So schnell ich konnte, rannte ich rüber zum Klo. Wegen meines Schwankens und Verlusts an Orientierungssinn, kam ich nicht schnell genug dort an und kotzte mir die Seele aus dem Leib. Nicht in die Toilette, sondern überall drum herum. Und so erinnerte ich mich nicht mehr an meinen zwanzigsten Geburtstag.